Die Meistertugenden hat ein Freimaurer so verinnerlicht wie ein Demokrat die Verfassung. Sie sind wesentlicher Bestandteil seiner Überzeugung. Gleichwohl ist es wichtig, immer wieder über sie zu sprechen, so wie ein Christ das Glaubensbekenntnis regelmäßig wiederholt. Dabei geht es nicht darum, die Meistertugenden wörtlich wiederzugeben, sondern sich darüber auszutauschen, wie sie zu leben sind. Dadurch werden diese sie lebendig gehalten.
Vorsichtigkeit
Die erste Meistertugend ist die Vorsichtigkeit. Für mich beinhaltet sie Mut zu haben, aber gleichzeitig Umsicht zu zeigen. Es gilt nicht verzagt zu sein, aber Gefahren rechtzeitig zu erkennen, so wie ein Seefahrer weiß, dass trotz schönem Sonnenschein Unwetter aufkommen kann. Risiken kalkulieren und nicht blind darauf vertrauen, dass nichts passieren wird. Es geht auch darum sich zu vergewissern, dass man vertrauensvoll mit einem anderen sprechen kann, um Enttäuschungen und Gefahren zu vermeiden.
Mäßigkeit
Freimaurer sind keine Puritaner, sondern dem Leben zugewandt. Aber das Maß, nicht das Übermaß ist ihre Leitschnur. Anders ausgedruckt, Wein wird mit Genuss getrunken, aber Trunkenheit wird entschieden abgelehnt. Das richtige Maß zu finden, war schon den Griechen in der Antike sehr wesentlich. Streben zur Mitte, aber nicht zur Mittelmäßigkeit. Anders ausgedrückt heißt dies: In der Mitte steckt die Kraft. Die extremen Ränder werden vermieden.
Verschwiegenheit
Eine Vertrautheit zwischen Menschen baut sich erst auf, wenn man sicher ist, dass der andere verschwiegen ist und nicht alles gleich an die große Glocke hängt, heute würde man sagen, ins Netz stellt. Verschwiegenheit ist das Gegenteil der all zu oft anzutreffenden Geschwätzigkeit. Nicht grundlos gehört die Verschwiegenheit bestimmter Berufsgruppen, wie Ärzte, Richter, Polizeibeamter, zum Berufsethos. Katholische Geistliche legen eigens ein Schweigegelöbnis ab. Nur so entsteht das Vertrauen für ein freiwilliges Schuldeingeständnis bei der Beichte. Bei den Freimaurern soll sich der Bruder mit dem Bruder vertrauensvoll austauschen können und deshalb gehört die Verschwiegenheit zu den Meistertugenden.
Barmherzigkeit
Die Meistertugenden der Vorsichtigkeit, Verschwiegenheit und Mäßigkeit sind vorwiegend Verstandestugenden. Die vierte Meistertugend, die Barmherzigkeit, ist eine Tugend des Herzens. Der barmherzige Bruder öffnet sein Herz, um in Not geratenen Menschen zu helfen. Er erwartet keine Gegenleistung, sondern allein sein Mitfühlen und sein Verständnis von Liebe und Miteinander führt ihn zur Hilfe. Barmherzigkeit ist mehr als Mitleid. Barmherzigkeit erfüllt einen Menschen in seinem Menschsein. Sie gibt dem Leben eines Menschen eine Wertorientierung und damit Bereicherung in seinem Innersten. Goethe sagte: „Wer nichts für andere tut, tut nichts für sich“. Die großen monotheistischen Religionen wie Judentum, Christentum und Islam gehen von der Barmherzigkeit Gottes aus, auf die wir als mit Schuld behafteten Menschen angewiesen sind und auf die wir hoffen. So wie wir auf Gottes Barmherzigkeit hoffen, wollen wir in Not geratenen Menschen helfen.
Der Wohltätigkeitsverein der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland e.V. ist gemeinnützig. Es geht um die Unterstützung hilfsbedürftiger Brüder sowie hilfsbedürftiger Witwen und Waisen von Brüdern der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland.
Ich bin überzeugt, dass die Freimaurer das Gebot der Barmherzigkeit in vielerlei Hinsicht in ihrem jeweiligen Umfeld leben. Es wäre aber auch sehr begrüßenswert, wenn sie dem Wohltätigkeitsverein der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland eine regelmäßige finanzielle Förderung zukommen lassen würden.
Gleichfalls besteht die Möglichkeit, eine Patenschaft an einem Projekt zu erwerben, das einzeln oder mit einer Ordensabteilung gemeinsam gestaltet wird. Der Wohltätigkeitsverein freut sich auf Projektvorschläge.
Packen wir es also an.
Prof. Dr. Falko von Falkenhayn